Ralf Stegner in Emsdetten

Mit einem kleinen Stichwortzettel kam Gastredner Ralf Stegner aus. Der prominente Außen- und Sicherheitspolitiker gab den großen Überblick über die Herausforderungen zum Jahreswechsel. 

Solidarisch durch die Krise

Ein neues Jahr, setzte Stegner an, verbindet sich mit neuen Hoffnungen. Ein besseres Jahr zu beginnen, als es 2022 war, sollte nicht zu schwierig sein. Der Einstieg in die „Ampel“ Ende 2021 stand noch ganz unter dem Vorzeichen der Corona-Krise. Corona zeigte uns vieles über unsere Gesellschaft: Wissenschaftliche Spitzenleistungen bei der Entwicklung eines lebensrettenden Impfstoffes, unzählige Beispiele spontaner wie organisierter Hilfsbereitschaft machen uns Mut. Aber es gab auch Negatives von übermäßiger Bürokratie über die Gefährdung von Mitmenschen durch Impfleugner bis hin zu regelrecht kriminellem Verhalten von Leuten, die sich mit untauglichen Masken und anderen Dingen bereicherten.

Derselbe Gegensatz zwischen denjenigen, die sich für die Gemeinschaft einsetzen, und denen, die sie zerstören wollen, zeigte sich auch in der Silvesternacht. Auch hier heißt es, dem Gesetz Geltung zu verschaffen, ohne Kriminalität für die eigene politische Agenda zu mißbrauchen. „Die Gleichheit vor dem Gesetz ist eines der höchsten Güter unserer Demokratie, sie ist nicht von der Heimat unserer Großeltern abhängig.“

Was bedeutet der Ukrainekrieg?

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat das Leid des Krieges mitten nach Europa getragen. Auch Stegner nutzte daher die Gelegenheit, die Hilfsbereitschaft vieler Menschen zu loben. Gleichzeitig betonte er, dass ein gewaltsames Verschieben von Grenzen nicht toleriert werden dürfe, dass Kriegsverbrechen als solche bezeichnet und bestraft werden müssen. 

Er gebe zu, dass auch er die Gefahren aus der Energieabhängigkeit von Russland unterschätzt habe. Es sei jedoch fahrlässig, deswegen 50 Jahre Ostpolitik in Frage zu stellen. Mehr Frieden lasse sich in dieser Welt nur erreichen, wenn man – wie jetzt Olaf Scholz – auch mit nicht-demokratischen Ländern wie China darüber verhandle. Wenn man ihnen ihr Eigeninteresse an einer friedlichen Weltordnung vor Augen führe. 

Gleichzeitig verdienen es die Soldatinnen und Soldaten, die in der Bundeswehr im Zweifelsfall ihr Leben für uns riskieren, dass ihre Ausrüstung angemessen modernisiert wird. Woran es in den vergangenen Jahrzehnten gefehlt hatte, war ja weniger das Geld, als eine sinnvolle Verwendung. Lobbyismus und Bürokratie haben zu viel verschwendet.

Hier habe im letzten Jahr eine Umstellung begonnen, die angesichts früherer Versäumnisse besonders bemerkenswert sei. Gleiches gelte für die Energiewende oder für die Wiederbelebung der NATO, mit den neuen Beitrittskandidaten Schweden und Finnland. „Jetzt wird gesagt, Deutschland müsse eine ‚Führungsmacht‘ werden. Was immer man von dem Wort hält, sinnvoll kann es nur sein, wenn man es nicht mit dem Megaphon betreibt, sondern mit einer Arbeit, die als Vorbild dienen kann.“ Dafür dürfe man das Militärische nicht isoliert betrachten, schon gar nicht in einen Wettbewerb um den größten und stärksten Waffentyp eintreten. Militärische und diplomatische Anstrengungen müssten immer im Tandem verlaufen und die weitere Welt nicht aus dem Blick verlieren. Stegner nannte als Beispiel das Getreideabkommen, dass für die Ernährung Afrikas von essentieller Bedeutung ist. 

Inflation und Energiekrise haben uns unsere Abhängigkeiten deutlich vor Augen geführt. In dieser Lage ermahnte Stegner auch zur ökonomischen Solidarität in Deutschland selbst. „Das Bürgergeld ist kein Almosen, dessen man sich würdig erweisen muss. Es ist ein Beitrag, den wir aus gemeinsamem Interesse leisten, weil jeder in Not geraten kann. Trotz unserer gegenwärtigen Schwierigkeiten sollten wir verstehen, dass es uns im internationalen Vergleich noch immer gut geht und wir es uns daher leisten können, Verantwortung für unser Wohlergehen als Gemeinschaft zu tragen.“ 

Für alle, die kompetent mitreden wollen: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/krieg-in-der-ukraine/was-tun-wir-fuer-die-ukraine