Zugang zur Physiotherapie erleichtern

Kostenfalle Ausbildung
Die Physiotherapie ist ein notwendiger und interessanter Beruf. Trotzdem erlernten ihn seit Jahren viel zu wenig junge Leute. Warum? Die hohen Kosten für Schulgeld, Fortbildung und Zusatzqualifikationen waren für Menschen ohne Vermögen oder reichem Elternhaus kaum aufzubringen. Das Schulgeld beträgt im Durchschnitt 420,00 € pro Monat, so dass die Ausbildung schnell zu 20.000,00 € Schulden führen konnte. Da das Einstiegsgehalt für Berufsanfänger nur ca. 2.100,00 € bis 2.300,00 € Brutto betrug, waren die Schulden kaum zu bezahlen. Kein Wunder, dass viele Therapeuten ihren Traumberuf aufgaben und weiter studierten oder sogar berufsfremd arbeiten mussten. Dies führte zu einem Fachkräftemangel und damit zu langen Wartezeiten für die Patienten.
Langsame Besserung
Auf Bundesebene wurde dieses Problem erkannt. Laut Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU soll das Schulgeld für die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen abgeschafft werden. Für Pflegeberufe wurde dies schon umgesetzt, aber bei den Gesundheitsberufen wie Logopädie, Ergotherapie und Physiotherapie hapert es noch gewaltig. Nun ist Bildung auch in diesem Bereich Ländersache. Das merkt man an der Umsetzung von Regeln und der Weitergabe von Bundesgeldern. Während Bayern, Schleswig Holstein und Hamburg schon beitragsfrei sind, müssen angehende Physiotherapeuten im schwarz-gelben NRW noch mindestens 30 % Schulgeld selber zahlen.
Auch die Bezahlung der Therapien durch die Krankenkassen war bis vor kurzen auf sehr niedrigen Niveau. Deshalb wird in vielen Praxen im 15 bis 20 Minuten Takt gearbeitet. Dies ist neben der enormen Belastung für die Therapeuten auch ein schwieriger Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und vernünftiger Behandlung. Die Einführung der ( teilweisen ) Schulgeldfreiheit sowie die 10 – 15 % Erhöhung der Bezahlung je nach Therapie zum 01.07.2019 sind erste Schritte zur Verbesserung des Berufsfeldes.
Aber weitere müssen folgen:
A. Die Abschaffung der Zuzahlung der Patienten für das Rezept. Zur Zeit müssen 10 % des Rezeptwertes plus 10,00 € pro Rezept vom Patienten einkassiert werden, was zu einem enormen Büroaufwand führt. Wird dies mal vergessen oder der Patient erscheint nicht wieder, bleibt die Praxis auf den Kosten hängen. Bei Ärzten wurde die Praxisgebühr schon lange wieder abgeschafft, warum nicht bei den Gesundheitsfachberufen???
B. Die Kontrolle der Rezepte geht ebenfalls zu Lasten der Physiotherapiepraxen. Hat eine Arztpraxis das Rezept nicht richtig ausgestellt und der Therapeut bemerkt dies nicht, bekommt er seine Behandlungen von der Krankenkasse nicht bezahlt. Einerseits ist der Physiotherapeut zur Zeit noch weisungsgebunden, andererseits soll er die Richtigkeit der Rezepte überprüfen. Dies kann und darf so nicht sein. Deshalb wäre es an der Zeit über Blankoverordnungen nachzudenken und dem Patienten damit den Direktzugang zum Physiotherapeuten zu ermöglichen.
Wir müssen dringend die Gesundheitsfachberufe mit einem funktionierenden Gesamtkonzept stärken und wieder attraktiv machen!
Mein Name ist Annette Tesch und ich bin aktiv in Emsdettens SPD.